In der Interview-Serie „I do it my Way“ stelle ich Menschen vor, die einen nicht ganz gradlinigen Weg hinter sich und einiges zu erzählen haben. Die Serie soll Mut machen und aufzeigen, dass „Erfolg“ nicht immer stromlinienförmig aussieht. – Viel Freude damit!
Carola Heine habe ich vor vielen Jahren in meinem ersten „Web-Zirkel“, den „WebGrrls“ kennen gelernt. Sie ist eine Frau der ersten Stunde, was das Internet angeht. Sehr aufregend, innovativ und beeindruckend. Und ermutigend für alle, die sich keine 0/8/15-Karriere vorstellen können. Ich freue mich sehr, sie heute hier interviewen zu dürfen!
Was ist ihr Beruf, was Ihr wichtigstes Tätigkeitsfeld heute?
Webworkerin mit Schwerpunkt auf Redaktion, Fachjournalismus und Pro- Blogging. Meine Themen sind Technik, aber auch Lifestyle und Unterhaltung – oft vermischt mit Medien/Internet. Wenn nicht auch noch stets so viel Konzept, Optimierung und Beratung dazukommen würde, wäre „Autorin“ sicherlich der passende Oberbegriff, aber spätestens ab der Entwicklung von Internetpräsenzen ab der Idee trifft „professionelle Webworkerin“ es einfach besser.
Ich finde, Sie sind einen ungewöhnlichen privaten/beruflichen Weg gegangen. Ich habe Sie für dieses Interview angesprochen, weil mir scheint, dass Ihr (beruflicher/privater) Weg ungewöhnlich ist/war. Stimmt das aus Ihrer Sicht? Was ist für Sie persönlich das Ungewöhnliche daran?
Wie viele, die heute im Internet arbeiten, bin ich seit Mitte der 90er Quereinsteigerin und habe die erste Generation (buchstäblich) unterrichtet, die heute „was mit Online-Medien“ macht. Das ist nicht ungewöhnlich für Early Adopter, die echten Digital Natives. Was ich immer wieder zumindest amüsant finde, sind die vielen Male, bei denen Experten und berufserfahrenere Mitmenschen mir erklärt haben, warum eine Idee leider völlig chancenlos ist – und ich habe sie davon unbeeindruckt trotzdem erfolgreich umgesetzt. Angefangen von der ersten ernstzunehmenden Festanstellung („Wir haben Einstellungsstopp – oh, Sie können Computer?“) über „kein Verlag interessiert sich für das Manuskript einer Einsteigerin – du hast da gerade ein Fax mit einem Vertrag bekommen!“ bis hin zu „mit einer selbst erstellten Website kann man nichts reißen, schon gar nicht als Frau – vielleicht finden Sie ja einen Mann, der Ihnen das erstellt?“ setzt sich fast mein gesamter beruflicher Weg aus „Ich mach es trotzdem“ und „entweder es klappt oder es ist eine wertvolle Erfahrung“ zusammen. Erstaunlich oft liefen die Dinge am besten, von denen andere mir abgeraten hatten. Tun sie immer noch.
Aus heutiger Sicht betrachtet: Ist es der richtige Weg gewesen? Warum?
Die Frage stellt sich mir so nicht, weil die Zeit für einen zusammenfassenden Rückblick noch lange nicht gekommen ist. Alles in meinem Leben ist weiterhin dynamisch in Bewegung – ich bin Mutter, mein Kind wird in diesem Jahr eingeschult und dann werden alle Planungsoptionen neu verteilt: Bekommen wir einen Ganztagsplatz oder arbeite ich wieder nachts, um auf spannende Projekte nicht verzichten zu müssen? Was ich jetzt schon sagen kann: Es war zweifellos die beste Entscheidung meines Lebens, mich zu „verselbstständigen“ , um nicht mehr ständig ausgebremst zu werden.
Gab es Zeiten in Ihrem Leben, in denen Sie gezweifelt haben? Wenn ja: Wie sahen diese Zweifel aus? Warum haben Sie gezweifelt? Und wie sind Sie damit umgegangen, was hat Ihnen besonders geholfen?
Als mein Haus gebrannt hat und ich mit einem Mann auf der Intensivstation, einem zweijährigen Kind und einer Thrombose im Bein in den Trümmern meiner Altersvorsorge stand – wenn auch nur ganz kurz, aber da habe ich am Modell Selbstständigkeit gezweifelt. Wie viel schlichter und simpler ist doch das Leben von Angestellten, die auch nach einem Schicksalsschlag einfach wieder an ihren Arbeitsplatz gehen können, ohne erst mal mit der Versicherung um die Erstattung der Computer kämpfen zu müssen! Ich habe ein paar schlaflose Nächte lang überlegt, was ich hätte ändern können vorher, um als Ernährerin meine Familie besser abzusichern. Geholfen haben mir viele wunderbare Freunde und eine Spendenaktion aus dem Internet direkt nach dem Feuer, als die Hausratversicherung sich kundenfeindlich zeigte – und dann auch bald die Erkenntnis, dass ein Schicksalsschlag eben genau das ist: Schicksal. Man muss nichts falsch machen, um einen herben Schlag zu erleben. Dann heißt es „Augen auf und durch“. Mit der wertvollen Hilfe war das zwar immer noch nicht einfach, aber zu schaffen.
Wenn Sie sich in die Zeit zurückversetzen, in der Sie – sagen wir – 18 Jahre alt waren: Wie hätten Sie über Ihre heutige Situation gedacht? Hatten Sie eine Ahnung davon, geplant/gedacht/gehofft, dass Sie diesen Weg gehen würden?
Mit 18 hatte ich gerade zum ersten Mal einen Computer gesehen und setzte alle Hebel in Bewegung, um zukünftig damit zu arbeiten. Ich hatte ein paar kleine Literaturwettbewerbe gewonnen und habe damals vermutlich daran gedacht, irgendwann mal „ein Buch“ zu schreiben … geplant habe ich, möglichst viel von der Welt zu sehen und an spannenden Orten zu arbeiten. Alles etwas vage, so wie es mit 18 Jahren ja auch sein darf und sollte.
Gab es – rückblickend gesehen – einen Moment, an dem Sie sich ganz bewusst für genau diesen Weg entschieden haben? Oder wie verlief das für Sie?
Ich hatte schon einige Jahre nebenberuflich geschrieben, aber auch viel Herzblut in meinen Job in einer IT-Abteilung investiert. Als ich dann im zweiten Jahr in Folge nicht an der Team-Weihnachtsfeier teilnehmen durfte, weil mein Vorgesetzter es wichtiger fand, dass ich für ihn noch etwas erledigte, schrieb ich ihm alles, was er noch haben wollte … und anschließend meine Kündigung. Es wurde aus vielen Gründen endlich Zeit für eine kompetente Chefin: Mich.
Eine Frage, die mich immer wieder beschäftigt, lautet: Wie findet man neue, spannende Ziele, wenn ein ursprüngliches Ziel erreicht ist. Wie lautet Ihre Antwort darauf? Wie gehen Sie mit dieser Frage um?
Gar nicht, da ich mich nicht mit der Suche nach spannenden Zielen beschäftige. Ich hatte diesbezüglich noch nie Leerlauf und habe eher das Problem, dass auch mein Tag leider nur 24 Stunden hat.
Work-Life-Balance ist immer ein großes Thema für mich und für viele meiner LeserInnen. (Wie) schaffen Sie das bzw. welchen Tipp können Sie aus Ihrer Erfahrung zu dieser Herausforderung geben?
Meine Situation seit dem Brand in unserem Haus lässt sich nicht mit der einer normal ausgelasteten gesunden Person vergleichen – ich balancierte tatsächlich erst mal über Jahre hinweg nur „Work“. Die größte Herausforderung besteht jeden Tag darin, keine Teilzeitmutter zu sein, sondern tatsächlich ein Familienleben zu haben, das diesen Namen auch verdient. Mein Tipp lautet also ganz pragmatisch: Je extremer die Situation und die Arbeitsbelastung sind, desto wichtiger sind Gespräche, gemeinsame Mahlzeiten, Pausen, Auszeiten, Mittagsschlaf, Bewegung – alles das, was zuerst auf der Strecke bleibt, wenn der Stress anrollt.
Haben Sie einen Tipp für jemanden, der an einem Punkt im Leben steht, an dem er/sie nicht genau weiß, wie es weitergehen soll?
Nachts keine wichtigen Entscheidungen treffen. Lieber auch mal etwas falsch machen als gar nichts tun – unbedingt auch Dinge ausprobieren, gerne spontan.
Das Thema dieser Interview-Serie ist „I do it My Way“, also der Titel eines bekannten Frank Sinatra Titels, in dem er seinen Umgang mit Niederlagen und seinen persönlichen Weg beschreibt. Gibt es einen Song, ein Buch, ein Gedicht, ein Kunstwerk oder ähnliches, das Ihre Haltung zu diesem Thema einfängt? Haben Sie einen Link zum Song/Buch etc.?
Leider nein. Aber ich habe eine sehr ausgeprägte Abneigung gegen das, was auf der Tanzfläche passiert, wenn jemand „I will survive“ von Gloria Gaynor spielt und die Anwesenden sich hopsend und zuckend sichtlich sehr mit dem Text identifizieren. Dann doch lieber eine Runde „I am what I am“ für alle, das passt wenigstens immer.
Gibt es noch etwas, das Ihnen in diesem Zusammenhang wichtig ist?
Ich glaube, dass sich erstaunlich viele Menschen davon unnötig schwer beeindrucken lassen, wenn jemand anderes sich nach außen gut präsentiert – und dann denken, sie könnten ähnliche Ziele selbst nicht erreichen. Es ist eine Binsenweisheit, aber tatsächlich kochen alle nur mit Wasser.
[Tweet „Tolles Interview mit Carola Heine #IdoItMyWay“]Alle, die gerne über diesen Artikel twittern möchten, können gerne einfach auf dieses Kästchen klicken (jedenfalls wenn man twittert). Aber natürlich kann man Carola Heine an verschiedenen Orten im Netz treffen.Wie können unsere Leser/innen Sie im Internet finden?
Meine Website: http://carola-heine.de und Facebook: https://www.facebook.com/carola.heine
Herzlichen Dank, liebe Carola, das war wirklich sehr spannend! Das Motto „Augen auf und durch“ werde ich mir auf jeden Fall merken!
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...
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