Wirkt Psychotherapie auch per Video?
Ja. Es gab die so genannte „Video-Sprechstunde“ schon vor Corona, allerdings hat sie kaum jemand genutzt. Die allgemeine Meinung war, dass es eigentlich nicht funktioniert. In der Lockdown-Zeit durften wir zwar noch PatientInnen in der Praxis sehen, weil wir systemrelevant sind. Aber viele PatientInnen und auch viele BehandlerInnen (z.B. ich) fühlten sich doch wohler, Kontakte so weit nur irgend möglich zu unterlassen. In dieser Zeit haben wir alle viel Erfahrung mit Video-Therapie gemacht und gemerkt: Es geht ganz gut. Auf jeden Fall besser als nichts und für manche Themen sogar besser als bei Präsenz-Sitzungen.
Wichtige Aspekte der Psychotherapie per Video
- Natürlich ist es immer schöner und besser, sich persönlich zu sehen. Und manches ist schwieriger per Video (z.B. eine Situation in einem Rollenspiel einzuüben). Es ist auch ganz schön anstrengend, so lange konzentriert auf einen PC zu schauen.
- ABER: Es funktioniert tatsächlich viel besser, als gedacht. Die Gespräche sind oft sogar intensiver als im „echten“ Kontakt, vielleicht weil es wenig Ablenkung gibt.
- Ob Psychotherapie wirkt, ist stark vom Vertrauensverhältnis zwischen PatientIn und TherapeutIn abhängig. Wenn Vertrauen schon besteht, wird es auch beim Video-Kontakt da sein. Wenn nicht (weil schon das erste Gespräch per Video läuft), dann ist es natürlich etwas schwieriger. Aber letztlich auch gar nicht so anders.
- Psychotherapeutische Erkenntnisse und auch Strategien können fast immer auch per Video angewandt werden – oft müssen sie aber ein bisschen angepasst werden. Im Laufe der Corona-Wochen haben wir in unserer Praxis damit einige Erfahrungen machen können. Und sind recht zufrieden mit dem Ergebnis.
- Bisher ist jedenfalls unser Résumé, dass die „Video-Sprechstunde“ eine echte Möglichkeit ist, wenn ein persönliches Treffen nicht möglich ist.
Was ist die „Video-Sprechstunde“?
In der Corona-Krise hat sich vieles sehr schnell verändert, auch im Bereich der Psychotherapie. So wurde z.B. der Einsatz der so genannten „Video-Sprechstunde“ von der Ausnahme zur Regel befördert. Zuvor durfte psychotherapeutische Sitzungen nur selten und in sehr begründeten Ausnahmefällen per Video durchgeführt werden. Nun ist das unbegrenzt möglich. Der Begriff „Video-Sprechstunde“ ist einfach die offizielle Bezeichnung für eine Psychotherapie-Stunde per Video.
Wie viel kostet eine Video-Therapie?
Eine Psychotherapiestunde per Video wird unter denselben Bedingungen wir reguläre Psychotherapie vollständig von den Krankenkassen übernommen, Zuzahlungen gibt es nicht.
Wer kann Psychotherapie per Video in Anspruch nehmen?
Jedes Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse hat im Prinzip Anspruch auf die Abklärung einer Behandlungsnotwendigkeit und wenn die festgestellt wird, auch auf Behandlung. Bei den privaten Kassen ist es etwas komplizierter, da kommt es auf den Vertrag an, den das Mitglied mit seiner/ihrer Kasse geschlossen hat.
Leider ist es aber immer noch so, dass freie Psychotherapieplätze Mangelware sind. Daher kann in der Praxis doch nicht jede Person mit dem entsprechenden Bedarf einen Termin oder einen Therapieplatz bekommen.
Von dieser Einschränkung abgesehen, kann aber jede/r der/die ein persönliches Gespräch mit einem PsychotherapeutIn geplant hat, dieses zumindest während der Corona-Krise auch per Video durchführen. Jedenfalls, wenn der/die entsprechend/e TherapeutIn diese Möglichkeit anbietet.
Was sind die Vor- und die Nachteile?
Es liegt auf der Hand: In der derzeitigen Situation ist der große Vorteil einer Video-Sitzung, dass eine Ansteckung (auf dem Weg oder in der Praxis) sicher verhindert wird. Davon abgesehen kann es aber grade bei schwierigen Themen und in der Traumabehandlung tatsächlich angenehm sein, ein wenig räumliche Distanz zur Behandlerin zu haben und sich in der gewohnten Umgebung sicher zu fühlen. Auch, dass nach der Stunde kein Nachhauseweg mehr ansteht, finden viele unserer PatientInnen angenehm.
Ein großer Nachteil für uns Therapeutinnen ist es, dass wir nicht anwesend sind, wenn ein Thema viel auslöst und vielleicht unerwartete Reaktionen auftreten. Schwierig wäre es auch, wenn die Verbindung mitten im Gespräch abreißen würde. Dann brauchen wir einen „Back-Up-Plan“, zum Beispiel die Zusage in solchen Momenten bestimmte, vorher vereinbarte Strategien einzusetzen. Oder, in letzterem Fall die Vereinbarung, dann zu telefonieren.
Wie schnell bekommt man einen Platz?
Leider ist es weiterhin nicht einfach, einen Therapieplatz zu bekommen. Häufig ist es viel einfacher, einen Termin für eine „therapeutische Sprechstunde“ zu bekommen. Dabei handelt es sich um Vorgespräche, um herauszufinden, ob Psychotherapie überhaupt das Richtige ist. Vielleicht ist es aber derzeit tatsächlich einfacher, einen Termin zumindest für die Sprechstunden zu bekommen. Denn dadurch, dass nun alle Praxen ohne Begrenzung Video-Sitzungen anbieten dürfen, können Sie natürlich auch ganz bequem Sitzungen bei weiter entfernten TherapeutInnen vereinbaren.
Was ist der Unterschied zwischen „Video-Therapie“ und „echter“ Psychotherapie?
Psychotherapie per Video unterscheidet sich von „echter“ Psychotherapie eigentlich nur durch den Einsatz der Technik. Natürlich muss man sich daran gewöhnen. Aber es ist tatsächlich so, dass die Sitzungen dadurch oft sehr intensiv sind (es gibt kaum Ablenkungen). Allerdings ist der Einsatz von verschiedenen Methoden nicht so einfach. Welche Methoden das ein könnten? In einer Therapiesitzung schreibt man zB häufig etwas auf einen Flipchart, das ist per Video schwieriger. Oder man steht auf, um eine bestimmt Situation im „Rollenspiel“ einzuüben. Oder man wechselt den Platz, um verschiedene Aspekte eines Problems anzudeuten.
Insofern gibt es schon einige Unterschiede – und gleichzeitig ist das Wesentliche gar nichts ehr verschieden: Sie sind in einem intensiven Gespräch über das Thema, das Sie belastet und suchen gemeinsam nach Lösungen.
Welche Ausstattung brauche ich?
Sie brauchen kein besonderes Programm. Ihr/e TherapeutIn schickt Ihnen vor der Sitzung den Link eines sicheren Programms, Sie müssen ihn dann nur klicken.
Sie brauchen allerdings stabiles WLAN (oder LAN, natürlich) und einen PC. Eventuell geht auch ein Smartphone, aber das stelle ich mir nicht sehr bequem vor. Bitte prüfen Sie vorab, dass das Mikrophon und die Lautsprecher ausreichend gut funktionieren und rüsten Sie bei Bedarf nach (zB mit einem Headset).
Darüber hinaus brauchen Sie einen ruhigen Raum mit sicherer Privatsphäre. Bitte sorgen Sie vor einer Sitzung dafür, dass das alles gewährleistet ist.
Was ist mit Datensicherheit?
Das ist ein sehr wichtiges Thema, dem wir viel Aufmerksamkeit widmen. Da ein therapeutisches Gespräch hoch vertraulich ist, können wir keines der üblichen Programme (zB Skype oder Zoom) für ein therapeutisches Gespräch nutzen. Statt dessen nutzen wir ausschließlich Programme, die durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zertifiziert sind, indem Sie den Nachweis über besondere Datensicherheit erbracht haben.
Auf was muss ich achten?
Neben einem funktionierenden WLAN und einem funktionierenden PC mit Mikro und Lautsprechern brauchen Sie eigentlich nur einen ruhigen Raum und vertrauliche Atmosphäre.
Wie bei einem persönlichen Termin sollten Sie sich vor der Sitzung einige Minuten Zeit nehmen, um sich klarzumachen, worauf Sie sich in der Sitzung konzentrieren möchten, was Ihre Ziele sind. Vielleicht auch, was Sie fragen möchten.
Warum bieten das alle Psychotherapeuten Video-Sprechstunden an?
Bis vor der Corona-Krise galt Psychotherapie per Video als exotisch und nicht sehr sinnvoll. Erst in dieser Krise haben sich viele KollegInnen mangels Alternativen mit dieser Möglichkeit vertraut gemacht – und dabei gemerkt, dass es ganz gut funktioniert.
Nun, in der Krise, wurden die formalen Begrenzungen der Video-Sprechstunde aufgehoben, um Sie weiterhin gut behandeln zu können. Natürlich müssen (und wollen) wir nur sehr gut geschützte Video-Plattformen nutzen. Aber wenn wir das beachten, dürfen wir nun auch Erstgespräche per Video anbieten. Wir können auch ganze Therapien so durchführen (wenn beide Seiten das möchten).
Kann Psychotherapie per Video auch weiterhin angeboten werden, auch nach Corona?
Das weiß ich nicht. Einerseits ist es sicherlich so, dass viele KollegInnen die guten Erfahrungen mit der „Psychotherapie per Video“ mit in die Zeit „nach Corona“ nehmen. Vielleicht wird einigen EntscheiderInnen auch klar, welche Möglichkeiten die VideoSprechstunde bietet, zB die bessere Versorgung von Menschen, die abgelegen leben oder die körperlich nicht in der Lage sind, für persönliche Gespräche in die Praxen zu kommen.
Ob Video-Sprechstunden auch weiterhin in diesem Umfang erlaubt sein wird, bleibt abzuwarten. Wir, in unserem Mannheimer und Heidelberger Team werden sicherlich weiterhin Video-Sitzungen anbieten, wenn es möglich ist. Allerdings freuen wir uns auch sehr darauf, (hoffentlich) bald wieder möglichst viele von Ihnen „Live“ zu sehen.
Photo by JESHOOTS.COM on Unsplash
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...
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