In der Interview-Serie „I do it my Way“ stelle ich Menschen vor, die einen nicht ganz gradlinigen Weg hinter sich und einiges zu erzählen haben. Die Serie soll Mut machen und aufzeigen, dass „Erfolg“ nicht immer stromlinienförmig aussieht. – Viel Freude damit!
Britta Reimann hat einen für mich richtig exotischen, ganz eigenen Weg zurückgelegt. Lesen Sie selbst, wie sie eine Keks-Backstube aufgebaut hat, bei der man die wunderbarsten, handgemachten Kekse auch per Internet bestellen und diese Köstlichkeiten dann frisch zugestellt genießen kann (ich spreche aus begeisterter eigener Erfahrung!)
Was ist ihr Beruf, was Ihr wichtigstes Tätigkeitsfeld heute?
Ich bin Unternehmerin und betreibe eine Keks-Backstube. Gelernt habe ich in der familiären Konditorei und später noch Industriekauffrau.
Zu meinen wichtigsten Tätigkeiten gehören:
- Kreieren und kalkulieren von neuen Keks-Sorten
- Kümmern um Produkt- und Verpackungsdesign
- Sonderwünsche für Kundenpräsente anfertigen
- Mails mit Fragen beantworten
- Angebote erstellen
- Kontaktpflege und Austausch mit bestehenden und neuen Kunden
- Kontakte zu Lieferanten ermitteln und halten und die Bedingungen verhandeln
- Einkauf von Waren beim Großhändler
- Internet- und Website-Pflege
- Kekse fotografieren, sie beschreiben und in den Shop stellen
- Newsletter erstellen und Aktionen ausdenken
- Kümmern um Buchhaltung, Steuern und Rechtliches
- Kümmern um Mitarbeiter (Administration, Anlernen, Leiten, Wohlfühlarbeitsklima schaffen)
- Kunden wie Wiederverkäufer, Banken und Büros direkt beliefern (in Hamburg und Umgebung als besonderen Service)
- sowie natürlich aktives Backen und Verpacken der Kekse.
Ich finde, Sie sind einen ungewöhnlichen privaten/beruflichen Weg gegangen. Stimmt das aus Ihrer Sicht? Was ist für Sie persönlich das Ungewöhnliche daran?
Ich sehe meinen Weg nicht so ungewöhnlich und mich selbst eigentlich auch nicht. Vielleicht sind aber die Möglichkeiten im Verkauf heute neu. Kekse übers Netz zu kaufen und zu vertreiben, dieses Geschäftsmodell macht es möglich, nicht gleich einen Laden anmieten zu müssen. Und auch die Vielfalt von Gebäck und Nahrungsmitteln heutzutage macht es möglich, dass ich meine ungewöhnliche Keks-Idee (alle handgemacht ohne Ei gebacken) erfolgreich umsetzen konnte.
Aus heutiger Sicht betrachtet: Ist es der richtige Weg gewesen? Warum?
Für mich ist es bisher die richtige Entscheidung gewesen. Ich bin sehr dankbar dafür! Warum? Weil ich keine andere, vergleichsweise spannendere Idee zu dem damaligen Zeitpunkt hatte.
Gab es Zeiten in Ihrem Leben, in denen Sie gezweifelt haben? Wenn ja: Wie sahen diese Zweifel aus? Warum haben Sie gezweifelt? Und wie sind Sie damit umgegangen, was hat Ihnen besonders geholfen?
Sicher gab es (und manchmal gibt es auch immer noch) Zweifel. Die sahen in etwa so aus: Klappt das? Interessiert das Jemanden? Will das Jemand? Ist der Preis machbar? Ist das eine potentielle Nische? Wenn es klappt, funktioniert das Prinzip „100% handgemacht“ auch in größeren Mengen?
Geholfen haben mir einerseits gesunde Kalkulationen, eine große Portion Mut, mein Erspartes, viel Fleiß und Spaß am Arbeiten, eine große Vision und Lust und Freude auf das Projekt Kekse. Und meine unerschütterliche Liebe zu Süßem.
Wenn Sie sich in die Zeit zurückversetzen, in der Sie – sagen wir – 18 Jahre alt waren: Wie hätten Sie über Ihre heutige Situation gedacht? Hatten Sie eine Ahnung davon, geplant/gedacht/gehofft, dass Sie diesen Weg gehen würden?
Als ich 18 Jahre jung war, gab es das Internet und diese Verkaufsart noch nicht. Auch Kekse in dieser Art und Weise standen nicht auf der „normalen“ Karriereleiter. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich mich so spezialisieren würde. Also nur Kekse. Aber an eine Selbstständigkeit habe ich schon damals gedacht. Das war irgendwie schon immer klar bei mir. Ist ja auch nicht meine erste Selbständigkeit. Ich hatte 8 Jahre lang zuvor eine Erlebnis-Gastronomie.
Gab es – rückblickend gesehen – einen Moment, an dem Sie sich ganz bewusst für genau diesen Weg entschieden haben? Oder wie verlief das für Sie?
Als ich an einem persönlichen Scheideweg in meinem Leben ankam, ist mir die Grundidee durch ein Gespräch mit meiner Schwester gekommen. Zuvor hatte ich für mich selbst leckere Kekse gebacken. Und zwar ohne Ei. Fantastisch für mich, weil ich eine Hühnereiallergie habe, und leckere Kekse ohne Ei waren rar bzw. kaum zu bekommen.Wir plauderten darüber und spannen diesen Gedanken weiter, und anschließend habe ich mich nach ein paar schlaflosen Nächten – und den dazugehörigen Zweifeln (siehe oben) – ganz bewusst dafür entschieden.
Eine Frage, die mich immer wieder beschäftigt, lautet: Wie findet man neue, spannende Ziele, wenn ein ursprüngliches Ziel erreicht ist. Wie lautet Ihre Antwort darauf? Wie gehen Sie mit dieser Frage um?
Ziele sind ja mit Wünschen verbunden. Für mich ist es das Überthema „mehr glückliche Kunden und mehr Kekse verkaufen mit viel Spaß“. Neue Ziele kommen also bei mir mit jedem neuen Kunden und mit den Anfragen. Diese kommen auf so unterschiedliche Weise auf mich zu und oft auch mit verschiedenen Wünschen. Diese Wünsche versuche ich immer irgendwie machbar zu machen. Das kann dann schon mal eine kleine Herausforderung sein: sei es in der Menge der Kekse, die wir backen müssen, oder die Sonderformen, oder Menschen mit mehreren Allergien und Unverträglichkeiten, verschiedene Modelle für Wiederverkäufer, spezielle Give aways einzeln verpackt oder saisonales Gebäck (z.B. mit Früchten, die gerade „IN“ sind).
Weitere Ziele sind Vergrößerung der Räumlichkeiten, Zuwachs an Personal, das ins Team passt und noch so einiges mehr. Oder aber auch so: Ich spüre plötzlich einen Wunsch in mir, z.B „gerne noch einen anderen Verkaufszweig zu haben“. Wenn ich diesen Wunsch deutlich wahrnehme, überlege ich, was ich konkret tun könnte. Meist lasse ich dann den Gedanken ruhen. Irgendwann kommt dann ein Herr X zu mir und fragt nach, ob ich mir nicht auch solche Ideen (wie genau in meinem Wunsch) vorstellen könnte, er hätte da ein Modell im Kopf und würde gern mit mir zusammenarbeiten. So etwas kam durchaus vor. Das sind die kleinen Wunder, wie neue Ziele ins Leben kommen.
Gibt es derzeit ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Mir liegen (fast) immer alle Themen in meinem Bereich besonders am Herzen.
Work-Life-Balance ist immer ein großes Thema für mich und für viele meiner LeserInnen. (Wie) schaffen Sie das bzw. welchen Tipp können Sie aus Ihrer Erfahrung zu dieser Herausforderung geben?
Das ist für mich überhaupt kein großes Thema. Sicher habe ich auch einmal Lust auf einen Nachmittag mit meiner Freundin oder das Bedürfnis nach einem Sauna-Sonntag nach dreimonatigem Durcharbeiten. Und das tue ich dann auch. Aber für mich gehört in mein Leben meine Arbeit. Meine Selbstverwirklichung. Und ich tue es gerne und mag es auch so. Ich glaube es ist nur ein Thema für diejenigen, die ihre Arbeit nicht mehr richtig mögen oder aber die Bedingungen ihrer Arbeit in Frage stellen. Es gibt ja auch Zeiten bei einigen Personen, da rücken kurzfristig andere Bedürfnisse, wie z.B. Kinder, Familie in den Vordergrund. Jeder muss für sich selbst in solchen Zeiten entscheiden, ob dies ein Punkt zum Wechseln ist, ob man beruflich etwas verändern kann oder ob man diese Phase mit einem Sonderurlaub oder Ähnliches abdecken kann. Nur längere Zeit darin stecken bleiben, unzufrieden sein und alles ignorieren, ist nicht ratsam. Dann wird man chronisch unzufrieden.
Haben Sie einen Tipp für jemanden, der an einem Punkt im Leben steht, an dem er/sie nicht genau weiß, wie es weitergehen soll?
Mein Tipp dazu ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Sich selbst ganz ehrlich zu fragen,wozu man Lust hat und was man wirklich gerne machen möchte und ob es – selbst wenn es mit Risiken verbunden ist – real machbar ist. Ballerina mit Anfang 40 ist nun nicht mehr ganz so realisierbar. Aber andere Dinge! Die es damals (als Kindheitstraum) noch nicht gab. Wenn man zu blockiert, zu durcheinander oder zu skeptisch ist, würde ich zu einer guten Berufsberaterin oder einem Coach gehen.
Das Thema dieser Interview-Serie ist „I do it My Way“, angelehnt an den Titel eines bekannten Frank Sinatra Titels, in dem er seinen Umgang mit Niederlagen und seinen persönlichen Weg beschreibt. Gibt es einen Song, ein Buch, ein Gedicht, ein Kunstwerk oder ähnliches, das Ihre Haltung zu diesem Thema einfängt? Haben Sie einen Link zum Song/Buch etc.?
Ich persönlich mag viele Zitate von Sören Aabye Kierkegaard. Eines besonders:
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang von Unzufriedenheit“.
In der heutigen Zeit ist man (fast) nie mit einem Produkt oder einer Dienstleistung allein auf dem Markt. Wenn ich mich ständig erkundigen und messen würde mit anderen Anbietern, hätte ich keine Zeit und Energie mehr für mich und meine Ideen. Ich würde ständig versuchen, anders zu sein. Ich muss aber bei mir, meinen Vorstellungen und meinen Idealen bleiben. Nur so kann ich mein Business vertreten. Deshalb gefällt mir dieses Zitat.
[Tweet „Keks goes Business: Tolles Interview mit Britta Reimann (goo.gl/0NAXKm) #IdoItMyWay“] Alle, die gerne über diesen Artikel twittern möchten, können gerne einfach auf dieses Kästchen klicken (jedenfalls wenn man twittert). Aber natürlich kann man Britta Reimann an verschiedenen Orten im Netz treffen.
Wie können unsere Leser/innen Sie im Internet finden (Website, Blogs, Facebook, twitter etc.)?
Hier meine Seite („Das Keks-Backstübchen“) . Ich freue mich, wenn es jemanden interessiert. Und wünsche allen, die an einem Wendepunkt im Leben angekommen sind, viel Freude, Mut, Klarheit, Zuversicht, den nötigen Antrieb und natürlich großen Erfolg für das Neue.
Vielen Dank, liebe britta Reimann, für dieses schöne Interview! Ich wünsche allen LeserInnen, dass sie Ihre Kekse probieren werden ;-).
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...
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