Gerade komme ich zurück von einer unglaublich intensiven Woche in Brasilien – die Ärztevereinigung von São Lourenço do Sul hatte mich eingeladen, einen Vortrag zum Thema „Traumabehandlung“ zu halten.

Der Vortrag selbst war eine echte Herausforderung für mich (zwei Stunden auf Portugiesisch vortragen – Bungee-Jumping kommt mir dagegen vor wie ein Entspannungsbad!). Aber: Es herrschte eine tolle Stimmung mit wundervoller Resonanz, links sehen Sie, wie ich im Anschluss einen Geschenkekorb von Dr. Flavio und Dra. Rosana überreicht bekomme, naschließend ging es zu einer Churrascaria, ein Erlebnis der besonderen Art in Südbrasilien.

Hier ein Zeitungsausschnitt – der Vortrag bekam tatsächlich eine ganze Seite gewidmet:

Natürlich habe ich es auch genossen, endlich einmal wieder in der Heimatstadt meiner Mutter zu sein. Ich habe hier viele liebe Menschen wieder getroffen und die wunderschöne Natur genossen.

Hier einige Eindrücke von einem ersten Spaziergang durch die Stadt. Weiter unten noch ein paar Gedanken zur aktuellen Situation vor Ort.


Es war auch toll, dass ich die beeindruckenden Projekte, die meine Freundin Elsa Timm seit Jahren durchführt und die ich mit Hilfe des Walldorfer Vereins „Hilfe zur Selbsthilfe“ lange Jahre lang unterstützen konnte, besuchen konnte:

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

Neben dem Austausch mit Kollegen (allen voran der wunderbaren Elsa Timm – links auf einem Foto mit mir, oben mit einem der Kinder – und dem Psychiater Dr. Flavio) fand ich wirklich spannend zu erleben, wie stark sich Brasilien verändert hat. Das Land ist nicht wieder zu erkennen. Den wirtschaftlichen Aufschwung, von dem man in der Zeitung soviel liest: Er ist sichtbar und greifbar. Bei meinem letzten Besuch (vor etwa 3 Jahren) hat man auch überall schon davon gelesen, dass es diese Veränderungen gibt und man hat auch schon einiges davon gesehen. Aber noch nicht so deutlich. Jetzt würde ich sagen, spielt Brasilien fast (oder schon ganz?) in derselben Liga wie Europa. Glauben Sie nicht? Fahren Sie hin!

Wo es vorher 100 armselige Hütten gab, gibt es vielleicht noch 10 und ALLE Kinder gehen in die Schule. Das war vor ein paar Jahren noch ein Riesenproblem: Die analphabetischen Eltern der Unterschicht sahen keinen Sinn darin, ihre Kinder in die Schule zu schicken – das wurde politisch durch ein „Familienstipendium“ gelöst: Für jedes Kind, das in die Schule geht, bekommt die Familie etwa 30,-/Monat vom Staat. Wenn das Kind nicht in die Schule geht, gibt es nichts. Viel Geld für arme Familien, und es führt tatsächlich dazu, dass ALLE (jedenfalls alle, aus den Familien, die ich besucht habe – und vor ein paar Jahren gingen bestimmt 80% nicht zur Schule) es keine Analphabeten mehr geben wird. Genial! Und wie gesagt, schon ist sichtbar, dass die jetzigen Kinder wohl (hoffentlich hält das alles an, aber die Prognosen sind entsprechend) die letzte Generation ist, die mit existenzieller Armut in größerem Stil kämpft.

ABER – auch wenn glücklicherweise wirklich vieles besser geworden ist: Noch ein paar Jahre (wenige, hoffe/glaube ich), ist es sehr sehr hilfreich und sinnvoll von außen zu helfen. Wie z.B. im Fall einer Großmutter, die wir besucht haben: Sie muss/will trotz ihres hohen Alters 4 Kinder aufziehen: Ihre Crack-süchtige Tochter, die verschollen war, stand eines Tages vor ihrer Tür – mit 4 Kindern zwischen 2 und 7 Jahren. Die hat sie alle bei der Großmutter gelassen, die nun mit geringsten Mitteln versucht, sie durchzubekommen – die Tochter ist wieder verschwunden. Und obwohl die Großmutter fleißig ist (und die größeren Kinder zur Schule schickt), kann sie nicht viel arbeiten, weil es keinen Krippenplatz für die Kleinsten gibt. So etwas wie Sozialhilfe in unserem Sinn gibt es nicht, das Geld (die magere Rente plus dem „Familienstipendium“) ist trotz großer Sparsamkeit regelmäßig am 20. eines Monats aufgebraucht. Da ist es wunderbar, dass Elsa durch den „Kindernothilfefonds“ helfen kann.

Oder, solche Fälle gibt es auch immer noch: Ein Kind, dessen Eltern kein Geld für eine Brille haben und das deshalb in der Schule nicht mitkommt. Auch hier konnten wir unkompliziert (und so entscheidend für den Jungen!) helfen. Oder: Ein Kind, das gut in der Schule ist, könnte sehr gut die höhere Schule besuchen (hier gibt es ein „Grundschul“-System bis zur einschließlich 8. Klasse) – kann sich aber den Bus in die Nachbarstadt nicht leisten und nur dort gibt es die höhere Schule (und „Nachbarstadt“ heisst hier NICHT Fahrradnähe, sondern 60km…). Fälle, in denen Spenden weiterhin unglaublich gut hilft und dort unterstützen, wo es wirklich jemanden weiterbringt. Bis es dann – ich glaube in wenigen Jahren – ganz ohne solche Unterstützung gehen wird.

 

PS: Es finden sich auch zunehmend Brasilianer, die Bedürftige unterstützen. Auch ein wichtiger Weg!

Claudia Frey
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...

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